Rein in den ersten Arbeitsmarkt
von Gabriele Wittmann
Akteure in Berlin und Brüssel für Mindestlohn und Streikrecht
»Das ist ein Skandal, der dringend beseitigt werden muss«, kommentierte Ursula Engelen-Kefer, die Berliner Landesvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), das Resultat einer Anfrage an den dortigen Senat.
Das Land Berlin beschäftigt zwar mehr als die geforderten fünf Prozent Arbeitnehmer mit
Schwerbehinderung. Doch wie sich herausstellte, erfüllen die landeseigenen Unternehmen die Quote nicht, im Gegenteil: Knapp die Hälfte von ihnen zahlt lieber die sogenannte »Ausgleichsabgabe«. Deswegen fordert der SoVD neben vielen anderen Akteuren: Die Ausgleichsabgabe muss für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz künftig gestaffelt erhöht bis verdoppelt werden.
»Richtlinie verabschiedet«
An einer anderen Stellschraube dreht gerade der Sozialausschuss der Europäischen Union: Parlament, Rat und Kommission haben im Juni eine Richtlinie zu Mindestlöhnen verabschiedet. Der Text enthält abschließend auch einen Paragrafen, der fordert, dass der Mindestlohn auch für vergleichbare Arbeit für Menschen in Werkstätten gelten müsse.
»In Spanien erhalten Beschäftigte den üblichen Mindestlohn«
Die Richtlinie ist nur eine Empfehlung, aber sie hat belastbaren Symbolwert, so die Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses Katrin Langensiepen: »Damit wird klar ein mahnender Finger auf Deutschland gezeigt. Denn wir sind Spitzenreiter, was das System Werkstätten angeht. 320 000 Menschen arbeiten ohne Arbeitnehmer*innenstatus, Streikrecht und Mindestlohn. Das ist ein Skandal und verstößt gegen Menschenrecht.«
In Spanien dagegen funktioniert das Werkstatt-System bereits ähnlich wie bei Inklusionsfirmen: Durch staatlich geförderte Arbeitsplätze erhalten die Beschäftigten sowohl den üblichen Mindestlohn wie auch einen normalen Arbeitnehmerstatus mit allen Rechten. Sie dürfen beispielsweise verhandeln und auch streiken. Das Beispiel zeigt: Es wäre machbar.