Sex gehört zur Teilhabe
von Gabriele Wittmann
Sozialgericht genehmigt Assistenz
Das Sozialgericht Hannover hat entschieden, dass die Berufsgenossenschaft (BG) die Kosten eines Klägers für seine Sexualassistenz zu übernehmen hat.
Der Kläger hatte 2003 auf dem Heimweg von seiner Ausbildungsstätte einen Verkehrsunfall, der ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und eine spastische Lähmung aller Extremitäten nach sich zog. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Seit 2006 bezieht der Kläger eine Verletztenrente nach dem festgestellten vollständigen Verlust der Erwerbsfähigkeit.
Auf Antrag des Klägers schloss die BG mit ihm einen entsprechenden Vertrag und bewilligte ihm als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ein Persönliches Budget für Sexualbegleitung durch zertifizierte Dienstleisterinnen bis 2018. Den Folgeantrag des Klägers lehnte die BG jedoch ab.
Kontakte knüpfen
Das Sozialgericht Hannover hat nun dem Kläger Recht gegeben. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe nach § 39 SGB VII beschränkten sich nicht darauf, Kontakte zur Außenwelt zu knüpfen oder Hilfsmittel zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens bereitzustellen, sondern sie sollten auch das gestörte seelische Befinden des Behinderten verbessern und sein Selbstbewusstsein stärken.
Wichtig für die wirksame und gleichberechtigte Teilhabe
Sexuelle Bedürfnisse zählten zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen und könnten daher im Rahmen von Teilhabeprozessen auch indirekt eine große Rolle spielen, nämlich für die persönliche Entwicklung und das seelische Befinden. Damit sei eine selbstbestimmte Sexualität Voraussetzung für eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und soziale Eingliederung des Menschen mit Behinderung.
Sozialgericht Hannover, Urteil vom 11.07.22 –
S 58 U 134/18 – noch nicht rechtskräftig