»Bis sich die Lösung einstellt«

von Hilmar Schulz

Patrick Oeffner konstruiert Greifhilfen für Arbeit und Alltag

Wenn es Patrick Oeffner nicht gäbe, könnten zahlreiche Menschen keine Teetasse halten, kein Stück Brot zum Mund führen, und die Zahnbürste würde ihnen aus der Hand fallen. Der Hesse hat verschiedene Greifsysteme erfunden, mit denen Personen trotz Fingerlähmung zupacken können. »Gripability« hat er seine Firma genannt, »Greiffähigkeit«. Dabei geht es ihm um mehr als den Verkauf praktischer Hilfsmittel:
Oeffner will vor allem die Selbstständigkeit von Menschen erweitern.

Die Idee zu seinem Greifsystem ist aus eigener Not geboren. Kurz vor dem Abitur verunglückte Oeffner während einer Frankreich-Reise, »Kopfsprung in die schöne Ardèche«, sagt er mit einem Anflug bitterer Ironie.
Es habe Zeit gebraucht, bis er ganz realisierte, dass er dauerhaft gelähmt sein würde. Als erstes hat er damals die Schule geschmissen und »wilde Sachen gemacht«. Oeffner war auf der Suche, stieg eine Zeit lang aus auf die Insel La Gomera. Es war die Kunst, die ihm den Weg wies. Für seine Arbeiten auf großer Leinwand musste Oeffner Pinsel führen können, Stifte und Spachtel stabil halten – unmöglich für einen Tetraplegiker ohne Fingerfunktion.

Bei der Recherche nach einer technischen Lösung stellte er überrascht fest, dass es am Markt kein passendes Produkt gab. Während Menschen, denen Extremitäten ganz fehlen, viele hochentwickelte Apparaturen wie bionische Prothesen zur Verfügung stehen, gab es für die kleine Personengruppe mit gelähmten Händen nichts Vergleichbares. »Da sagten wir uns: Wir machen das selbst.«

Keine Zeit mehr für Kunst

Eine Frau tuscht sich die Wimpern mit einer Greifhilfe
Foto: Gripability

»Wir«, das sind Oeffner und seine Frau. Und Menschen, die ihm zur Seite stehen. Bei der Entwicklung beriet er sich mit Ingenieuren, mit Fachleuten für Robotik und Automatisierungstechnik.Ganz zu Beginn stand die Frage nach der praktikabelsten Technologie: Sollte der Antrieb elektromagnetisch sein? Elektrisch oder pneumatisch?

Die Wahl fiel auf Druckluft, sie ist am besten für kleine, leichte Greifer geeignet und kann gleichzeitig hohe Kräfte aufbringen. Der Prototyp des e3 war dann schnell gebaut. »Damit konnte ich dann zwar im Atelier arbeiten –
aber ich hatte bald keine Zeit mehr für die Kunst, weil ich nun Unternehmer war.«

Zu dieser Zeit war Oeffner mit seiner Frau aus der Großstadt Frankfurt aufs Land gezogen, wo er eigentlich experimentieren wollte. Doch weil ihm seine Erfindung zu nützlich schien, um sie nur privat zu nutzen, entschloss er sich, das Greifsystem professionell zu produzieren.

Einfacher Federmechanismus

Oeffner meldete Patente an, 2006 gründete er die eigene Firma.

Sein erstes »elektropneumatisches Greifhilfsmittel«, wie Oeffner es nennt, sei bisher das technisch komplexeste Gerät geblieben, das er hergestellt hat. Die Technik kommt bis heute in zwei Apparaturen zur Anwendung: der mobilen Greifhand e3, die man am Rollstuhl bei sich trägt, und einem stationären Tischgerät x.hand, mit dem man etwa in einer Werkstatt verschiedenste Werkzeuge steuern kann.

Der Erfinder forschte weiter und stellte fest: Auch für Menschen, die nur eine eingeschränkte Hand haben, kann eine mobile Greifhilfe sehr praktisch sein. Die Idee zur b.hand war geboren, mit ihr können Hemiplegiker die gelähmte Extremität mit nutzen und wieder mit Messer und Gabel essen, Schnürsenkel binden oder Reißverschlüsse zuziehen. Auch bei der Arbeit mit wiederkehrenden Handgriffen sei sie sehr hilfreich. Doch da diese Menschen meist nicht im Rollstuhl sitzen, brauchte es ein leichtes System, das sich schnell ein- und auspacken lässt.

Das wird deshalb nicht mit einem schweren Druckluftapparat betrieben, sondern mit einem einfachen
Federmechanismus: Man spannt einen Hebel und kann den Greifer gezielt zuschnappen lassen.

Dabei biete das System viele Möglichkeiten. Oeffners jüngstes Produkt erscheint banal, kann aber für Tetraplegiker extrem hilfreich sein: Es ist eine Zahnbürste mit ausgeklügelten Griffbügeln, die t.brush.

Übersichtliches Kleinunternehmen

Wie findet Patrick Oeffner für solche vertrackten Probleme immer wieder verblüffende Lösungen? Offenheit sei nötig, sagt er. Vor allem dürfe man sich nicht mit dem Gedanken blockieren, die Aufgabe sei nicht zu schaffen: »Ich habe wohl die Fähigkeit, dazusitzen und zu warten, bis sich eine Lösung von alleine einstellt.« Die Produktion der Greifsysteme findet unter dem eigenen Dach statt. So kommen die GreifFinger selbst direkt aus dem 3D-Drucker, andere Teile lässt Oeffner herstellen, die Endmontage führt Gripability durch. Die Firma sei immer noch ein Kleinunternehmen mit übersichtlichen Stückzahlen und mit individueller Beratung. Das Gespräch mit Kunden und Krankenkassen sei sehr wichtig, erklärt Oeffner, es gehe darum, abzuwägen, ob es sich für die potenziellen Anwender und Anwenderinnen lohnt, den technischen Aufwand auf sich zu nehmen. Denn eine
richtige Hand können die Gripability-Geräte noch nicht ersetzen. »Ein Stück Pizza können Sie damit gut greifen, aber versuchen Sie mal, einen Apfel aufzuheben!«

Verkaufen um jeden Preis, das ist Oeffners Sache nicht. Und bei allem Arbeitseifer strebt er nicht unbedingt ein Wachstum der eigenen Firma an. »Wir wollen uns auf dem Markt weiterhin lieber bedeckt halten und nur die Kunden bedienen, die uns finden.«

Gripability GmbH
Am Wiesengrund 3
36399 Freiensteinau
Tel.: 06669 900 880
www.gripability.com
mail@gripability.com

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