Tierische Freude in der Südpfalz
von Gundel Jacobi
Von Glücksbringern und Kultigem
„Der Erstkontakt ist denkbar angenehm“
Die Pfalz hat längst einen Platz auf den vorderen Rängen innerhalb Deutschlands beliebtester Tourismusgebiete. Das liegt nicht nur am milden Klima samt üppigen Wäldern und Weinbergen. Man sagt den Pfälzern eine Lebensart nach, die neben bodenständigem Essen und Trinken vor allem viel Gemütlichkeit und eine herzliche Gastlichkeit ausstrahlt. Tatsächlich ist uns auf unserer Reise kein mies gelaunter Mensch begegnet.
»Alla Hopp!« Mit diesem frohgemuten »Los geht’s!«-Ausruf kann man in der Pfalz seinen Mitmenschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Und nicht nur denen: Unser erstes Ziel liegt in Annweiler am Trifels. Es ist die erst vor einem Jahr neu angelegte Markwardanlage, in der es nun auch Lamas gibt. Den geruhsamen Vierbeinern wie auch Hund Pedro haben wir so eine Art verschmitztes Grinsen entlockt.
Aber der Reihe nach: Der Park der Markwardanlage erstrahlt seit ihrer Neuanlage in barrierefreiem Glanz und hat neben zwei Teichen, einer Konzertmuschel und kleinen Spielplätzen unter anderem einen ehrwürdigen Baumbestand sowie reichhaltige blühende Bepflanzung entlang der Wiesen zu bieten.
Der leicht begehbare Rundweg mit zwanzig Metern Höhenunterschied ist größtenteils mit Split belegt, es gibt auch Abschnitte mit Asphalt- und Betonsteinen. Um den Park sind drei Behindertenparkplätze verteilt. Wer sich für die Lamas interessiert, stellt sein Auto idealerweise in der Bindersbacherstraße am südlichen Ende der Anlage ab. Dort befindet sich gut ausgeschildert kurz nach dem Eingang aufs Gelände eine öffentliche geräumige Behindertentoilette, die mit dem Euroschlüssel zu öffnen ist.
Schnuppern mit Abstand
Wir streben gleich zum höchsten Markward-Punkt, der das breite Tor zum Lama-Gehöft markiert. Nina Herter stellt uns die am Futterplatz versammelte Herde vor und räumt gleich mit einem Vorurteil auf: »Lamas spucken weniger, als man denkt – und wenn, dann tun sie es bei artgerechter Haltung während Rangordnungskappeleien innerhalb der Herde.«
Der Erstkontakt mit den gutmütigen Tieren aus der Familie der Kleinkamele ist denkbar angenehm. Denn die Vierbeiner mit den zutraulich blickenden Knopfaugen und dem wuscheligen Fell sind respektvoll, wie Nina erklärt: »Natürlich sind sie neugierig, aber Lamas sind Distanztiere und stürmen nicht zudringlich auf einen zu. Sie schnuppern erstmal mit etwas Abstand.«
Meist würden die Menschen den Körperkontakt zu den Ruhe ausstrahlenden Lebewesen suchen.
Wir streicheln die brav stehenden Tiere, während sie ihr Zaumzeug angelegt bekommen. Am Führhalfter verlassen Pedro und Lola mit uns und Nina unternehmungslustig den Hof für die gut einstündige Runde durch die Markwardanlage. Danach können wir bestätigen, was die Lama-Kennerin anfangs prophezeite: »Es gibt kein Geziehe und Gezerfe, sie laufen willig, schauen stets achtsam und haben auch gegen ein
Päuschen nichts einzuwenden.«
Auf Nachfrage wird uns bestätigt, dass die Pfälzer Lamas erfahrene Begleiter bei Rollstuhltouren sind. Am Schluss unserer Runde werden wir Zeuginnen einer krönenden Darbietung-dem Lama-Kuss. Nina steckt sich eine Mohrrübe zwischen die Zähne, und das Lama nähert sich ebenso blitzschnell wie behutsam, um mit seinen weichen Lippen das Gemüse zu schnappen. Wir begnügen uns damit, unseren Freunden zum Abschied nochmal das Fell zu kraulen.
Zum Abschluss Quetsch
Danach steigen wir wieder ins Auto und fahren ins nur wenige Kilometer entfernte Jugendstilhotel Trifels – zum Kaffee trinken. Das Haus liegt exponiert am Hang und lädt zum Verweilen auf der Terrasse ein. Da der Haupteingang nur über Treppen zu erreichen ist, klingeln wir ebenerdig an der bezeichneten Tür für Rollstuhlfahrende und gelangen im Inneren über den normalen Personenaufzug ins nächste Stockwerk auf Terrassenhöhe.
Beim Anblick des regional bekannten »Quetsch« (Zwetschge) werden wir schwach und bestellen uns zu der Kuchenkreation aus Teig, weißer Schokocreme, Sahne und Zwetschgenschnitzen einen Cappuccino. Von der Terrasse schauen wir auf die Burg Trifels, die langsam in die Schatten der untergehenden Sonne taucht.
Unser zweiter Tag beginnt früh, weil wir eine Menge vorhaben. Das Wetter verspricht trocken und mild zu werden, weshalb wir als erstes nach Edesheim zum Weingut Wolf fahren. Dort holen wir unseren bestellten Picknick-Rucksack samt Geschirr, Besteck und Decke ab.
Netterweise kommt Frau Wolf mit den Leckereien vor die Tür und gibt sie ins Fahrzeug, denn man kann zwar vor der im Dorf befindlichen Weinstube halten, aber es gibt dort keinen Behindertenparkplatz. Wir haben die vegetarische Variante erbeten mit reichlich frisch zubereiteten herzhaften Salaten, frischem Gemüse, körnigem Baguette, Obstsalat, Schokomuffins und Wasser. Natürlich wird man auch gefragt, ob es eine Flasche Weißer, Roter oder ein Roséwein sein darf.
Kultplatz für Opferrituale
Zwanzig Minuten später treffen wir in Herxheim ein, einem quirligen Pfalzstädtchen. Wir parken am Rathaus, wo wir das Auto bequem auf dem Behindertenparkplatz abstellen können. Von dort sind es fünf Minuten über zwei Gehwege und einen Zebrastreifen zum Museum. Zugegeben, wir haben in unserer Unkenntnis zuerst gedacht: »Hach, ein typisches Heimatmuseum. Sicher liebevoll gemacht, aber schon vielfach an anderer Stelle gesehen.« Weit gefehlt, das lohnt sich nicht nur als Schlechtwetter-Alternative!
„Verweilen mit leckerem Picknick“
Es gibt dort nämlich neben interessanten Begebenheiten über die Ortsgeschichte der letzten beiden Jahrhunderte samt Tabakanbau und Zigarrenherstellung einen Fund aus der Jungsteinzeit, der einzigartig in Europa ist: Vor 7 000 Jahren war Herxheim offenbar nicht nur eine erste Siedlung, sondern obendrein ein Kultplatz für Opferrituale.
Man muss kein Archäologe sein, um sich der Faszination dieser nach wie vor mit letzten Rätseln behafteten zahlreichen Fundstücke nicht entziehen zu können. Damit das begreifbar wird, raten wir zu einer Führung. Barrierefrei gelangt man über den gepflasterten Vorplatz ins Museums-Haupthaus zur Kasse.
Die beschriebene Dauerausstellung befindet sich ein Gebäude weiter in der restaurierten Scheune. Um die Exponate hervorragend erhaltener Bandkeramik der ersten Bauernkultur in Europa zu bewundern, rollt man über den Vorplatz direkt durchs Scheunentor ins Innere.
Das kultige Jungsteinzeit-Hauptmysterium befindet sich stilecht im Untergeschoss. Dazu geht es von außen zur Rückseite der Scheune und von dort per Treppenlift in die Katakomben. Hier unten ruhen buchstäblich zerkleinerte Gegenstände und Knochen, was ein junger Besucher so kommentiert: „Wir wussten gar nicht, dass es hier solche abgefahrenen Funde gibt!“
Im Anschluss an dieses spannende Intermezzo tut etwas frische Luft ganz gut. Wir holen unser Picknick aus dem Wagen, überqueren noch einmal den Zebrastreifen über die Hauptstraße am Rathaus und sind eine Minute später direkt gegenüber im öffentlichen Park der Villa Wieser – durch den ein nahezu flacher und asphaltierter Weg an verschiedene Plätze mit Bänken zum Verweilen führt.
Storchenzentrum
Unser nächstes Ziel lautet: Rheinland-pfälzisches Storchenzentrum. Auch hier sollte man etwas Zeit mitbringen, denn es gibt drei sehenswerte Bereiche, die in Bornheim verteilt sind. Direkt vom Behindertenparkplatz vor dem Storchenzentrum geht’s per mobiler Rampe hinein ins schöne Fachwerkhaus.
Eine Toilette befindet sich im Erdgeschoss. Von dort geht es nach der Anmeldung mit dem Treppenlift nach oben zur interaktiven Ausstellung, wo man wirklich alles über Störche erfährt, die traditionell als Frühlings- oder Glücksbringer bezeichnet werden und gar nicht so gerne Frösche mögen, sondern lieber Regenwürmer verspeisen.
Als nächstes können wir eine Viertelstunde über teils schmale, aber rollstuhlgerechte Gehwege zur Pflegestation gelangen, wo echte Störche umhegt und wieder fit gemacht werden. Das dritte Schmankerl nebenbei: Beim Gang durch den Ort entdecken wir Storchennester auf den Häusern, pro Jahr sind drei Dutzend Paare zu Gast in Bornheim. Leider waren sie bei unserem Besuch im Herbst schon auf dem Weg nach Süden.
Weinverkostungs-Tipp
Weinproben sind in der Pfalz Ehrensache und gehören zum Alltagsgeschäft auf Weingütern.
Rund 21 Winzer haben sich in Maikammer zu einer Ortsvinothek zusammengeschlossen, um einen Einblick in die Produktion der regionalen Erzeuger zu ermöglichen. Eine gut dreistündige »Weinreise für Genießer durch die Weinwelt von Maikammer« wird zu verschiedenen Terminen angeboten. Dabei besucht man in der Gruppe zu Fuß zwei bis drei innerhalb von Maikammer gelegene Weingüter. Die Tour führt über Gehwege und Fußgängerbereiche durch das Städtchen. Sofern wir bei der Anmeldung die Barrierefreiheit erwähnen, werden entsprechende Ziele ausgewählt. Im Mittelpunkt stehen dort die Wein-Verkostung mit kleinen Häppchen und fachkundige Erklärungen samt Führung durch den jeweiligen Betrieb.
Wer im Hotel Consulat des Weins in St. Martin wohnt, kann von der nahen Haltestelle mit dem Bus 501 in zehn Minuten nach Maikammer und ebenso wieder zurückfahren.
Ortsvinothek Weinkammer
ÜBERNACHTEN
Hotel Consulat des Weins
Das familiengeführte Hotel von Winzern in fünfter Generation besteht aus zwei Gebäuden, die durch eine weiträumige Gartenanlage verbunden sind. Vier rollstuhlgerechte Zimmer befinden sich im Appartementhaus, zwei sollen eventuell noch 2023 im Haupthaus fertiggestellt werden.
Großzügig sind die Platzverhältnisse im Appartement mit Schlafzimmer (Doppelbett zweimale in Meter breit und 54 Zentimeter hoch), Wohnbereich samt Küche, Essplatz und gemütlicher Sitzecke: alles auf geschmackvollem Mosaik-Parkett. Zudem gibt es eine kleine Terrasse.
Im Badezimmer mit unterfahrbarem Waschbecken, Dusche einschließlich Klappsitz und Toilette – letztere von beiden Seiten mit ausklappbaren Bügeln zu befahren – herrscht üppige Bewegungsfreiheit mit mehr als 150 Zentimetern Wendekreis. Vor dem Gebäude passt das Auto auf den ausgewiesenen Parkplatz, wir können aber auch in die Garage fahren.
Rund 100 Meter sind es über einen gepflegten asphaltierten Weg mit leichtem Gefälle und ebensolcher Steigung vom Appartementhaus ins Stammhotel. Dort lädt ein reichhaltiges Büfett im lichten Frühstücksraum zur Stärkung für den Tag ein. Das Restaurant ist ebenfalls auf Erdgeschossebene.
Sehr praktisch: In der ebenerdigen Vinothek mit Zugang aus der Gartenanlage können wir auf eigene Faust dem Rebensaft-Genuss frönen oder die Weinstuben-Mitarbeiter mit Fragen löchern. Dort befindet sich eine moderne Toilette, die man auch vom Restaurant des Hotels bequem per Fahrstuhl erreichen kann.
Hotel Consulat des Weins
Jugendstilhotel Trifels
Viele Hotels dieser bezaubernden Art der geschwungenen Linien gibt es nicht mehr. Für alle, die das sympathische Motto »Gehoben, aber nicht abgehoben!« teilen, ist ein Aufenthalt hier unterhalb der Burg Trifels geradezu unausweichlich. Das Hotel am Hang hat zwei Rollstuhl-Zimmer – beide mit Blick zur Burg.
Im zweckmäßig eingerichteten Wohn- und Schlafbereich mit zwei großen Sprossenfenstern, den wir durch einen zimmereigenen Flur erreichen, ist die linke Seite des zwei Meter breiten Doppelbetts mit knapp einem Meter Breite anfahrbar. Auf der Fensterseite sind es 75 Zentimeter. Das Badezimmer ermöglicht den
Toilettenzugang (mit zwei klappbaren Bügeln) von links – daran schließt das Waschbecken an; die schwellenlose Dusche hat einen Klappsitz. Nützt man noch ein klein wenig die Duschfläche, ist ein 150-Zentimeter-Wendekreis im Bad möglich.
Abgesehen vom legendären Trifels-Blick besticht die Kulinarik durch Pfalzspezialitäten und internationale Küche. Dabei ist im Restaurant das Zusammenspiel von Jugendstilcharme mit Rundbogenfenstern, warmen Cremefarben an den Wänden und dem dunklen Parkett ein eigener Genuss.
Jugendstilhotel Trifels
Fazit
Die Südpfalz hat weit mehr als Weinseliges zu bieten. Ihr höchstes touristisches Gut ist die Natur, die innen und außen vielfach barrierefrei erlebbar ist. Erstaunlich: Es existieren kaum noch Nebensaisonzeiten. Trotzdem gelingt es den Pfälzern, auch in den anspruchsvollen Phasen mit vielen Gästen eine Wohlfühlatmosphäre zu vermitteln. Wohltuend: Kettenhotels gibt’s keine. Das passt zum Charakter der Gegend. Also, alla hopp!
Allgemeine barrierefreie Angebote:
Foto: JackSenn / Bildarchiv Südliche Weinstrasse e.V. Zertifiziert nach Reisen für alle Touristeninformation
- Telefon: 06346 22 00
- http://www.trifelsland.de
Lama-Wanderung
(Voranmeldung erforderlich)
- Telefon: 0160 226 12 98
- http://www.pfalz-lamas.de
Weingut Wolf
Picknick-Rucksäcke (Voranmeldung erforderlich),
- Telefon: 06323 62 84
- http://www.wolf-weingut.de
Museum Herxheim
Rheinland-pfälzisches Storchenzentrum
- Telefon: 06348 610 757
- http://www.pfalzstorch.de