Große Schifffahrt, kleine Wellen

von Margarethe Quaas

»Schunkelnd zum Alten Mann«

Mann spielt auf einem Akkordeon
Foto: Margarethe Quaas

Wer am Bahnhof ankommt, stolpert mitten in die maritime Betriebsamkeit der Hafenstadt: Bahnwaggons kreuzen den Weg, Container für Schiffe werden entladen, Möwen umschwirren die Bistros, an denen die Passagiere nach Skandinavien noch ein Fischbrötchen vertilgen. Hunderte Dampfer starten hier ihre Überfahrt nach Skandinavien und ins Baltikum, 30 000 Schiffe durchqueren in der Kieler Förde jährlich den Nord-Ostsee-Kanal. Mit offenem Lächeln untermalt ein Akkordeonspieler die maritime Betriebsamkeit. Wir lassen uns von der sympathischen Gelassenheit anstecken und rollen gemächlich an der Wasserstraße entlang.

Entlang der Kaistraße

Die Kaistraße führt uns an den zwei riesigen Terminals des Schweden- und Ostseekais entlang. Zwischen den weiten Asphaltflächen für Container, Lastwagen und eine Menge parkender Autos kommt uns die kleine grüne Insel des Schifffahrtsmuseums sehr gelegen.

Schifffahrtsmuseum

Wenn am Kai die Sonne drückt oder der Regen prasselt, flattert es sich leicht in die Halle der denkmalgeschützten Fischhalle hinein. Der freie Eintritt verschafft zusätzlichen Rückenwind.
Mit einer andächtigen Ruhe tauchen wir zwischen Gemälden, Schautafeln und Modellen in die
200-jährige maritime Geschichte Kiels ein. Die Informationstafeln sind niedrig angebracht.
Wir erfahren in der gut strukturierten Ausstellung, wie aus der kleinen Hafenstadt ein Marine- und Werftenstandort wurde; wir lernen etwas über die Rolle des Segelsports und die zivile Entwicklung von Hafen und Schifffahrt. Das Gebäude wurde 2014 modernisiert, wobei stimmig zwischen vergangener und moderner Ästhetik vermittelt wurde. Auf der Mittelachse im Ausstellungsraum befinden sich die originalen Granitplatten der Fischhalle, der restliche Untergrund ist mit leicht befahrbaren Keramikplatten ausgelegt. Die Behindertentoilette wird auf Nachfrage aufgeschlossen, ist jedoch am Ruhetag am Montag nicht zugänglich. Der Innenraum ist durch den Wickeltisch 112 cm breit. Die Toilette ist beidseitig anfahrbar mit 97 cm Abstand nach links und 90 cm Abstand zur rechten Wand. Die beidseitigen Haltegriffe sind verstellbar, das Waschbecken ist unterfahrbar und der Spiegel kann gekippt werden.

»Der Alte Mann«

So viel Geschichte macht hungrig. Die Blätter der Platanen rascheln vor der ehemaligen Fischhalle und spenden Schatten für die Besucher des netten Museumscafés: »Der Alte Mann« lädt in den Sommermonaten auf seinen Freisitz mit Seeblick ein. Hier lassen sich maritime Spezialitäten genießen oder bei Kaffee und Kuchen Schiffe aus der Ferne begutachten. Wir probieren die »Nordischen Falafel« mit gemischtem Salat, dazu eingelegtes Gemüsepickle, Rote Beete-Humus und Knoblauch-Aioli mit dekorativen Sprossen für 14,80 Euro. Zu dem süßsauren Gericht empfiehlt uns die sympathische Bedienung eine spritzige Gurkenlimonade. Dat passt.

Die Kiellinie

Mit unseren gut gefüllten Bäuchen schlendern wir zwischen Schloßgarten und Ostseekai entlang und erreichen rechterhand die Kiellinie.Wer Lust auf ein kulturelles Dessert hat, folgt hier der Hauptstraße, um in die Kunsthalle zugelangen. Wir biegen zur Kiellinie ein, um uns von Autos und Lärm zu entfernen, und treffen auf die nächste Hauptverkehrsstraße: die Kieler Förde. In dieser Meeresbucht kreuzen riesige Kreuzfahrtschiffe, Fährlinien, Frachtschiffe, Segler und Motorboote. Der rege Schiffsverkehr ist vor allem dem Nord-Ostsee-Kanal geschuldet – der meistbefahrenen Wasserstraße der Welt. Die rege Betriebsamkeit der Motoren erreicht uns nur in kleinen Wellen. Das Wasser platscht träge gegen die schunkelnden Segelboote. Sonne und Seeluft schmeicheln unseren Nasen und wir lassen uns am Kai entlang treiben. Bei so viel frischer Luft kommt uns der kleine blaue Wagen mit Rampe von der nordischen Eismanufaktur Zantopps sehr gelegen.

Die schokoladige Kugel Eis für 1,80 Euro verzehren wir vor großen Seehundaugen. Die vier »heimlichen Stars der Kiellinie« tummeln sich einige Meter weiter in dem Außenbecken des Aquariums Geomar des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung. Die Gäste erhalten nach Eintritt einen Einblick in die Unterwasserwelt der heimischen Gewässer

Tipp: Um 14.15 Uhr (außer freitags) kommen
auch die Seehunde in den Genuss kulinarischer Darbietungen.

Dann findet die offizielle Fütterung am Becken statt. Wir rollen am Camp 24/7 vorbei.

Die Stadt Kiel bietet auf dem »Kutter« eine barrierefreie Fahrt auf der Förde an. Bis zu zwölf Personen passen auf das traditionelle Ausbildungsboot. Voraussetzungen sind allerdings selbstständiges Sitzen und ein möglicher Transfer per Manpower, da kein Hebelift vorhanden ist.
Voranmeldung ist erforderlich: 0431 240 00 70.

Die Kiellinie erstreckt sich über weitere drei Kilometer, die in weniger als einer Stunde auf breiten und ebenen Wegen abgefahren werden können. Der Hotspot mit Urlaubsatmosphäre ist ein bliebter Ort für Touristen und Einheimische. Da kann es schon mal sein, dass vor Schiffsriesen und Segelbooten Hochzeitsfotos geschossen werden. Am Ende der Kiellinie liegt Heimathafen des berühmten Segelschulschiffs Gorch Fock. Wir biegen kurz hinter dem Geomar Richtung Kunsthalle ab. Ein schmaler Weg führt mit maximal 14 Grad Steigung zur Hauptstraße Düsternbrooker Weg, die wir überqueren, um dann entlang des alten botanischen Gartens zum Museum zu fahren Wem dieser Weg zu steil ist, der kann etwas weiter nördlich gegenüber der Reventlou-Brücke einbiegen.

Kunsthalle zu Kiel

Sonnenaufgang über dem Meer

Wir gelangen ebenerdig zu den Garderoben der Kunsthalle. Ein Lift mit 88 cm Türbreite und 114 x 150 cm Innenraum bringt uns zum Foyer. Zu den Ausstellungsräumen und der Toilette geht es dann mit einem weiteren Aufzug, der eine eingeschränkte Breite von 80 cm besitzt. Das WC ist im Innenraum 114 x 150 cm breit. Die Toilette ist an der rechten Seite anfahrbar mit einem klappbaren Haltegriff an der rechten Seite und einem festen Griff an der linken Seite. Die Spülung befindet sich an der Seite des WCs.Das Waschbecken ist unterfahrbar.

Die Stätte für klassische und moderne Kunst beherbergt in diesen Tagen die Ausstellung
»Wildes, Wüstes und Wunderschönes«. Beginnend mit Objekten von Beuys-Aktionen bis zu Gemälden von Gerhard Richter lassen wir uns in den geräumigen Ausstellungsräumen mit ihrem sanften Oberlicht inspirieren.

Wer will, spürt den Gemälden von Landschaften und Naturdetails im nahegelegenen botanischen Garten nach. Die Wege am unteren Teil des Gartens sind mit festem Schotter befahrbar.

Überfahrt nach Laboe

Blick auf das Meer mit Gleitschirmfliegern und Spaziergängern am Strand
Foto: Margarethe Quaas

Eine etwas andere Rundfahrt mit ordentlich Seemannshumor startet ab Mai an der Kieler Bahnhofsbrücke jeweils um 11, 13 und 15 Uhr. Über eine Rampe und ein sogenanntes »Backblech« geht es an Deck,
das jedoch zu Beginn eine Schwelle von 5 cm hat. Das Außendeck hat einen Wendekreis von 1,50 Meter.
Leider ist vom Kapitän durch die Geräuschkulisse kaum etwas zu hören. Zum Innendeck muss eine mehrereZentimeter hohe Schwelle überwunden werden. Dort lässt sich aber gut dem Seemannsgarn und wissenswerten Informationen lauschen.Einebehindertengerechte Toilette ist auf dem Schiff, wie auch auf den regulären Fördelinien, nicht vorhanden.

Wir steigen nach 50 Minuten am Ostseebad Laboe aus. Die steife Brise bläst einen ganzen Schwarm an bunten Schirmen der Kitesurfer über den Horizont. Mit Softeis, Fischbrötchen oder Pommes bestückt schlendern wir die breite Uferpromenade entlang. Vermischt mit dem Geruch von Sonnencreme – Ostseeurlaub pur

Hotel Birke

Mehrere Personen spazieren auf einem Weg, links und rechts stehen Bäume

Das Hotel Birke liegt etwa 10 Fahrminuten per Auto oder 15 Minuten mit Bus vom Hauptbahnhof entfernt. An der Haltestelle Waldesruh steigen wir aus und biegen in die Seitenstraße Martinshofweg ein. Ein ruhiges Fleckchen, wie der Name schon sagt, inmitten einer Wohnsiedlung. Dass der Wald nahe ist, sehen wir von
unserem Balkon aus.

Zwei Junior Zimmer verfügen über einen barrierefreien Balkon.
Zehn weitere Classic und Comfort Zimmer sind behindertenfreundlich mit bodengleicher Dusche. In diesen Räumen können auch Haltegriffe montiert werden. Zum Junior Zimmer geht es durch die 94 cm breite Tür. Der helle Raum ist in Schlafbereich und Wohnzimmer mit Couch und Tisch eingeteilt. Die liebevollen Details wie Garderobenhaken aus Holz, maritime Bilder und geschmackvolle Möbel verleihen ein angenehmes Ambiente.

An Details wurde auch für den Notfall gedacht: ein Rüttelkissen und ein visueller Alarm benachrichtigen Blinde und Gehörlose im Schlaf. Die Kleiderstangen sind niedrig angebracht und der Boden mit dem Holzbelag leicht befahrbar. Eine gläserne Schiebetür zum Bad lässt sich weit öffnen. Beide klappbaren Haltegriffe an der Toilette können je nach Bedarf abmontiert werden. Auf Nachfrage ist eine Sitzerhöhung erhältlich. Der Abstand von der Toilette zur Heizung beträgt 48 cm und zur rechten Seite 98 cm. Durch die klappbare Duschwand lässt sich in der Dusche leicht mit Rollstuhl manövrieren, es gibtauch einen Duschhocker.

Foto: Margarethe Quaas

Der kleine, aber feine Betrieb in familiärer Atmosphäre ist auf nachhaltige Konzepte, regionale Kost und barrierefreie Angebote bedacht. In den Genuss dieser Mission kommen wir beim Abendessen, als wir uns das knusprig gebrateneSchnitzel von »Rehder’s« Ziegenfeta mit saftigem Kräuterrisotto und saisonalem Salat schmecken lassen. 60 Prozent der Produkte kommen aus der Region. Die Ziegen für den Käse stehen
13Kilometer von dem nun leeren Teller entfernt.

Zum Ausklang des Tages geht es in den Wellnessbereich:

Die Räume für kosmetische Behandlungen, drei Saunas und der Pool sind ebenerdig befahrbar. Zum Pool geht es durch das Behinderten-WC. Der Zugang ist bisher vom Beckenrand aus möglich, ein Lift ist in Planung.
Im angrenzenden Garten können wir endlich unsere Füße hochlegen.

www.hotel-birke.de
Tel.: 0431 533 13 11

Hotel Berliner Hof

Zimmer mit Doppelbett Stuhl und Fernseher
Fotos: Margarethe Quaas

Der zentral gelegene Berliner Hof befindet sich direkt am Hauptbahnhof an der angrenzenden Ringstraße. Zur Zeit unseres Besuches war der Hotelparkplatz wegen Bauarbeiten gesperrt. Die Arbeiten, bei denen auch kostenpflichtige Behindertenparkplätze entstehen, sollen 2023 abgeschlossen sein. Mit dem Zimmerausweis können wir Bus und Bahn des Nahverkehrs nutzen.

Das traditionelle Stadthotel bietet zwei behindertengerechte Zimmer an.
Ein Zimmer ist mit höhenverstellbarem Bett ausgestattet, dazu einer
elektronisch aufgehenden Tür, die eine Breite

behindertengerechte Dusche
Fotos: Margarethe Quaas

von 93 cm besitzt und einer zusätzlich aufklappbaren Couch in einem separierten Teil für eine
Begleitung. Auch findet sich hier eine niedrige Kleiderstange.

Beide Zimmer sind schlicht eingerichtet mit einem festen Filzbelag. Das zweite Zimmer hat eine Türbreite von 89 cm. Die Tür zum Bad ist 80 cm und besitzt eine 2 cm hohe Schwelle. Ein Wendekreis von 150 cm ist im Bad ist durch den Durchvorhang möglich. Die Toilette ist nur von der rechten Seite anfahrbar, da an der linken Seite direkt eine Wand mit Haltegriff anschließt. Auf der rechten Seite beginnt die Dusche mit einer leicht abfallenden Mulde, wodurch der Rollstuhl etwas in Schieflage geraten kann.

Der helle Frühstücksbereich befindet sich im Erdgeschoss und gibt durch die großen Fenster einen Blick auf die vorbeiziehenden Wolkenbänder frei. Käse, Gemüse, Wurst, frisches Rührei mit Obstsalat und Schokocroissants liegen am Buffet bereit. Vom Rollstuhl aus sind die Platten schwer zu erreichen, da sie durch die Kühlung in
den erhöhten Tresen versenkt sind.

www.berlinerhof-kiel.de
Tel: 0431 66 340

Segelschiff auf dem Wasser
Fotos: Margarethe Quaas

Fazit

Der Eindruck an der Kailinie verrät: Große Dampfer, kleine Wellen. Viel bewegt sich in und um Kiel, doch spürbar ist diese Aufregung an der Wasserpromenade nicht. Im Sommer lässt sich leicht zu den Stränden übersetzen, undin kühleren Monaten bei einem Kurzausflug die Meeresluft schnuppern und die Kultur und Gastronomie in aller Ruhe genießen.

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