Kolumne: Der ganz normale Alltag
von Tan Caglar
Schönen guten Tag liebe Leserinnen und Leser,
ich war schon Profi-Rollstuhlbasketballer; ich war das erste Model im Rollstuhl bei der Berlin Fashion Week, und jetzt bin ich Arzt im Rollstuhl. Oder, wie es eine Lokal-Journalistin so treffend formuliert hat: Herr Caglar! Egal, was Ihnen im Leben passiert – Sie fallen immer auf die Füße!
Unglückliche Journalistenfragen, die kannste dir nicht ausdenken! Zum Beispiel: »Wie schwer fällt Ihnen die Rolle als Arzt – mit türkischen Wurzeln im Rollstuhl?« Gegenfrage: Wie schwer fällt Ihnen die Rolle als Journalistin mit deutschen Wurzeln ohne Rollstuhl?
Schön auch die Frage: »Haben Sie damit gerechnet, im Rollstuhl ausgerechnet als Arzt besetzt zu werden?« Antwort: »Nee, ich dachte, sie casten mich als Krankenwagen!« Es ist ja generell so die Frage, wie Fernsehserien umbenannt werden müssten, wenn plötzlich ein Rollstuhlfahrer mitspielt. Hier einige Vorschläge: Gute Reifen – schlechte Reifen? Der Bergab-Doktor? MC Driver! Alarm für Pflegestufe 11! Oder, wie in meinem Fall, bei einer Krankenhausserie: Ärzte ohne Bremsen!
Auch, wenn die Kumpels plötzlich ins Spiel kommen, wird’s lustig … Sacht einer: »DU spielst wirklich mit bei ›In aller Freundschaft‹? Und ich dachte immer: Die Mainzelmännchen sind das Behindertste an den Öffentlich-Rechtlichen!«
Ich sag: Du solltest lieber keine Witze über die Mainzelmännchen reißen, weil sie behindert sind. Du solltest Witze über sie reißen, weil sie fett sind! Wenn ich als korrekter Deutsch-Türke eins nicht leiden kann, dann ist das unpräzise Diskriminierung. Jedenfalls: Alle waren von Anfang an begeistert, ist ja klar. Als die Anfrage kam, ich so: In aller Freundschaft? Kenn’ ich! Ist ‘ne Talkshow im ZDF! … kam die Info: Nein, halt-stopp: Arztserie, wird vom MDR produziert – in Sachsen.
Ich sage nicht, dass ich mit ausländischen Wurzeln wegen der politischen Entwicklungen in Sachsen besorgt bin, aber ich habe direkt in Rom angerufen – bei der Firma, die für den Papst das Papa-Mobil aufpimpt. Ich sag: Bonjour Amigos! Wie schnell könnt ihr einen Rolli kugelsicher überdachen? Richtig, mit eingebautem Wasserwerfer! Und hinten dran die Bananenschalenauswurfmaschine. Und … – bitte? Euer Problem, wie ihr das durch den deutschen TÜV kriegt!
Nur ein Spaß! Im Ernst: Ich hab im Osten viele fantastische Fans und immer nur gute Erfahrungen gemacht. Und wenn mal so ein »AfDetlef« vor mir steht? Bevor der was sagen kann, zünde ich eine Ressentiment-Rakete, da starte ich eine Vorurteils-V2!
Nach dem Motto: Hallo, ich bin der Tan, ich bin Türke, Rollifahrer, Veganer, transsexuell, jüdisch, Linkshänder, habe meine roten Haare schwarz gefärbt, bin in der Antifa und pinkle im Sitzen! Dann kannste dabei zusehen, wie der AfDetlef Systemabsturz hat, wie der mit seinen Parolen durcheinander kommt: »Sowas wie dich sollte man – anschieben!« Sag ich: Danke, ich komm’ schon klar – im Gegensatz zu dir!
Im Ernst, gerade die Fans aus dem Osten sind die besten! MDR-Fanpost von Ü60-Damen? Comedy Gold! Ich les’ mal vor: Sehr geehrter Herr Tan, lieber Caglar! In den Augen von uns Müttern sind Sie als Rollifahrer »der perfekte Schiebersohn«: Sie klappen nie die Klobrille hoch. Sie schauen nie von oben auf Frauen herab. Sie stehen immer mit Rad und Tat zur Seite. Sie bieten immer eine starke Schulter zum Anlehnen – dank Ihrer zupackenden Feststellbremse!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr größter Fan
PS: Entschuldigen Sie bitte meinen Sohn – Detlef! Ihn habe ich zu früh abgestillt.
Herzlichste Grüße
Ihre Conny Schmidt
In diesem Sinne
Euer Tan