Ab ins Hotel!

von Kay Macquarrie

Kolumne

Mann im Rollstuhl hat Tablet in der Hand und steht in einem Raum
Foto: Kay Macquarrie

Beruflich bin ich oft auf Achse. Dieses Mal geht es privat von Kiel nach Hamburg. Klar nutze ich dafür Bus und Zug, schon allein des Klimas wegen. Und tatsächlich auch wegen der oft tollen Begegnungen. Doch von den Überraschungen der lieben Deutschen Bahn habe ich ja schon beim letzten Mal erzählt. Dieses Mal geht es um Übernachtungen: Es ist inzwischen einfacher geworden, ein Hotel zu buchen. Gefühlt jedenfalls. Es gibt vermehrt neue Hotels und damit auch mehr barrierefreie Betten. Und das Beste: Große Hotels bieten ihre barrierefreien Zimmer mittlerweile auch in den Hotelportalen an. Oben die Standardzimmer, unten die barrierefreien Zimmer. Das ist neu!

Doch der Reihe nach: Bislang – und so auch dieses Mal – suche ich mir online eine geeignete Unterkunft und schreibe beim Buchen in die Kommentarspalte: »Bin im Rollstuhl unterwegs, bitte ein barrierefreies Zimmer zuweisen.« Klappt immer. Aber es ist natürlich supercool, auch gleich das barrierefreie Zimmer zu buchen. Dann ist die Katze im Sack und das Zimmer reserviert, auch ohne Umweg über die Kommentarspalte. Unglücklich nur, wenn die barrierefreien Zimmer so beliebt sind, dass sie als Erstes ausgebucht sind. Was dann?

»Ich habe es gebucht und ich werde es nutzen. Bäm!«

Man setzt auf das Verständnis der Hotelleute – natürlich. Kein Problem, denke ich, in unserer heutigen aufgeklärten und »inklusiven« Zeit. Und erhalte prompt die schriftliche Absage mit den Worten, dass mir kein barrierefreies Zimmer gegeben werden könnte, weil: alle schon gebucht! Ich denke mir: Liebes Hotel, da müsst ihr aktiv werden und bei den Leuten, die das Zimmer reserviert haben, anrufen und fragen, ob es ihnen möglich wäre, das barrierefreie gegen ein Standardzimmer zu tauschen.

Denn, Hand aufs Herz: Barrierefreie Zimmer werden grundsätzlich gerne gebucht, weil sie oft komfortabler und größer sind. Dass in diesem Fall alle vier verfügbaren Zimmer von Rollileuten oder Menschen mit Gehbehinderung gebucht worden wären, wäre wie ein Sechser im Lotto. Es sei denn, es sind gerade Paralympics oder ein Rollstuhlbasketball-Team ist in der Stadt und in genau diesem Hotel eingefallen.

Doch Pustekuchen, das Hotel schaltet auf stur! Zwei Telefonate später habe ich die Gewissheit: Ja, es gibt noch viele Standardzimmer, sogar mit ebenerdiger Dusche. Und »nein«, das Hotel wird die Gäste nicht kontaktieren, damit sie mit mir tauschen. Und ebenfalls ein »nein« für meinen Vorschlag, einfach einen Duschstuhl in ein Standardzimmer zu stellen.

»Warum dann der ganze Aufruhr im Vorfeld?«

Jetzt bin ich quasi am Ende mit meinem Latein. Aber ein anderes Hotel will ich mir auch nicht suchen und schalte nun schlicht auch auf stur. Sage am Telefon: Ich habe das Standardzimmer gebucht und werde es nutzen. Tschüss und bis nächste Woche. BÄM! Mit Bus und Bahn schlage ich mich nach Hamburg durch. Es läuft ausnahmsweise alles wie am Schnürchen. Ich habe am Anreisetag ein paar Stunden frei, um meinen Bruder in der Stadt zu besuchen. Vorher noch schnell ins Hotel, die Sachen loswerden und gucken, wie »eng« es im Standardzimmer wirklich werden wird. 60 cm zwischen Bett und Wand haben sie gesagt. Mein Rollstuhl ist 57 cm breit, sollte also passen. Doch siehe da: Man hat mir ein barrierefreies Zimmer zugeschanzt!

Innerlich bin ich dankbar, denn: Es macht meinen Aufenthalt leichter. Und gleichzeitig denke ich: Warum dann der Aufruhr im Vorfeld? Eine Antwort vom Hotel habe ich dazu nicht bekommen, trotz zweimaligen Nachfragens.

Das Hotel ist übrigens Teil einer amerikanischen Kette. Ob die wissen, dass, wenn dieses Hotel in den USA stehen würde, dieser unfreundlich abweisende Umgang mit einem Gast sie mal so richtig teuer zu stehen kommen würde? Aber in Deutschland müssen sie sich keine Sorgen machen. Da gilt Barrierefreiheit und Inklusion nur für den öffentlichen Raum. Die Privatwirtschaft kann schalten und walten nach eigenem Gutdünken.

Ja, es gibt gewisse Richtlinien zur Barrierefreiheit vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Aber ambitioniert sind die nicht wirklich: Den SPA- und Sportbereich klammern sie gleich ganz aus. Und Barrierefreiheit überprüfen tut auch keiner. Jüngst wurde in Hamburg ein Hotel errichtet, das bei knapp
200 Zimmern komplett ohne barrierefreies Zimmer auskommt. Ziemlich konsequent. Danke!

P.S. Meinen Bruder samt Familie habe ich besucht – und Hamburg genossen, trotz des Regenwetters und der Reisevorbereitungsquerelen,

Kay Macquarrie ist oft digital unterwegs und schreibt als Journalist über die Themen Barrierefreiheit, Ableismus und Künstliche Intelligenz. Nebenbei spielt er Bluegrass in der Band The Twang Gang. In Berlin ist er Sprecher »Barrierefreier Tourismus« der ISL, in seiner Heimatstadt Kiel sitzt er im Beirat für Menschen mit Behinderung. Hier lebt er mit seiner fünfköpfigen Familie mit Katze.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Artikel in der Rubrik

Datenschutz-Einstellungen (Cookies)

Wir setzen Cookies auf den Internetseiten des ma:mo ein. Einige davon sind für den Betrieb der Website notwendig. Andere helfen uns, Ihnen ein verbessertes Informationsangebot zu bieten. Da uns Datenschutz sehr wichtig ist, entscheiden Sie bitte selbst über den Umfang des Einsatzes bei Ihrem Besuch. Stimmen Sie entweder dem Einsatz aller von uns eingesetzten Cookies zu oder wählen Ihre individuelle Einstellung. Vielen Dank und viel Spaß beim Besuch unserer Website!