Neue Bücher: Sich im Weg stehen, Eine Frage der Perspektive, Resilienz für den Alltag
von Anja Stürzer
Sich im Weg stehen
Benni, der Autor und Protagonist dieses Jugendromans, ist 19, depressiv und inkomplett querschnittgelähmt. Wie andere Jugendliche auch hat er die Nase zudem gestrichen voll von einem gesellschaftlichen System, das Menschen nach Einkommen und Erfolg beurteilt. Die »Endlosschleife Leben« hat ihn im Griff – bis er Eddi kennenlernt, »das Grauen auf Rädern«. Eddi »der Rollstuhlvampir« ist Tetraplegiker und Teil einer gruftigen Clique, die sich im Musikclub »Unterding« trifft. Das passt, denn Benni hat nicht nur eine Behinderung, sondern auch Talent als Musiker, sensibler Gitarrist und hemmungsloser Lyriker …
Sex, Reim und Rock’n’Roll: In seinem neu aufgelegten und komplett überarbeiteten Roman erzählt Benjamin Schmidt rotzfrech und schonungslos offen von sich selbst: vom Leben als Gelähmter, der weder seine Füße noch seine Schließmuskeln unter Kontrolle hat; vom Leben als Teenager, der auf Mädchen steht, sich besäuft und bekifft; vom Leben als leidenschaftlicher Musiker und Künstler, der in einer leistungsorientierten Gesellschaft unterzugehen droht und dem Leben schließlich doch noch eine Chance gibt.
»Oft stehen wir uns nur selbst im Weg«, resümiert der mittlerweile ältere und reifere Benni
am Ende. »Diese Behinderung aber lasst uns
überwinden.«
Benjamin Schmidt: Schon immer ein Krüppel.
Edition Outbird 2020, 252 Seiten, EUR 13,00.
Eine Frage der Perspektive
Auf Seite 123, am Wendepunkt ihres Lebens und ziemlich genau in der Mitte ihres Lebensberichts, stellt Dörte Maack sich und den Lesern drei entscheidende Fragen: »Wo bin ich, wo will ich hin und wie komme ich dort am besten an?« Für sie sind dies einerseits »ganz praktische
und alltägliche Fragen«, denn Dörte Maack ist aufgrund einer Netzhauterkrankung frisch erblindet. Und es sind andererseits Fragen, die im übertragenen Sinn für alle Menschen wichtig sind: Kann man sie für sich selbst beantworten, ist das eine gute Grundlage, um im Leben Erfolg zu haben, um Krisen zu überwinden und notfalls, wie es im Titel dieses klugen und hervorragend geschriebenen Buches heißt, »aus Trümmern ein Schloss« zu bauen.
Erfolg jedenfalls hat Dörte Maack. Nach einer glücklichen Kindheit auf einem norddeutschen Bauernhof arbeitet sie als Straßenkünstlerin, absolviert eine Zirkusschule und baut ein kleines Varieté-Theater auf. Nach ihrer Erblindung, gegen die sie lange mit allen möglichen Mitteln ankämpft, studiert sie Sport; im Kapitel »Lauf, lauf, lauf, Sprung!« schildert sie, wie sie sich blind auf die Prüfung im Hürdenlauf vorbereitet. Der Titel dieses Kapitels wird zum Motto für ihr weiteres Leben: Akribische Vorbereitung, saubere Technik, und dann einfach drauflos, frei nach Pippi Langstrumpf: »Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.«
Als Coach für »Dialog im Dunkeln« sammelt Dörte Maack in den nächsten Jahren Berufserfahrung und bereist die Welt; heute ist sie prominent gebuchte Moderatorin und erfolgreiche Rednerin, zudem glückliche Partnerin und Mutter. Fazit: »Blindwerden ist eine Katastrophe, aber Blindsein ist es nicht.«
Dörte Maack: Wie man aus Trümmern ein Schloss baut. Die Geschichte meines Erblindens und wie ich wieder Lebensfreude fand. Patmos 2020, 216 Seiten, EUR 20,00.
Resilienz für den Alltag
Manchen Menschen gelingt es besser
als anderen, ein schweres Schicksal nicht nur anzuneh- men, sondern sogar daran zu wachsen – sie verfügen über ein höheres Maß an Resilienz. Die gute Nachricht: Diese innere Widerstandskraft lässt sich wie eine Art »Krisenmuskel« trainieren. Das vorliegende Buch stellt ein von der Autorin persönlich erprobtes Resilienzmodell vor und lädt ein, sich selbst mit dem Thema zu beschäftigen und die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.
Am Beispiel der Lebensgeschichte ihrer Tochter Kira, einer jungen Frau mit chronischer, fortschreitender Muskellähmung, werden konkret erlebte, praktisch umsetzbare Resilienzmethoden präsentiert, die im Alltag wie auch in Lebenskrisen von Nutzen sein können. »Kiras Modell« umfasst die vier Bereiche »Einbindung« in ein soziales Netz, »Verantwortung« für sich und andere, »Optimismus« in Form von positivem und zielorientiertem Denken sowie »Akzeptanz« des Unvermeidbaren. Innerhalb dieser vier Bereiche bietet der Text vielfältige Anregungen und Quellen sowie Raum für eigene Notizen.
Ziel dieses Mit- und Mutmachbuches ist die Erstellung eines ganz persönlichen Übungsprogramms, wobei die verschiedenen Methoden sich ausdrücklich als Angebot verstehen: Alles kann, nichts muss.
Stefanie Sproß: Meiner Familie meine Liebe
schenken. Doris-Verlag 2019, 144 Seiten,
EUR 16,90.