Das war es wert: Das erste eigene Auto in die Hand nehmen

von Catharina Escales

Der erste eigene Wagen: Wie geht das? In einer neuen Serie berichten uns Menschen von ihren Erfahrungen. Den Anfang macht Maria K. aus Bremen. Die 36-jährige Angestellte im Öf­fentlichen Dienst reist in ihrer Freizeit gern, kocht, trifft sich mit Freunden oder geht aus. Sie ist Rollstuhlfahrerin wegen einer spina­len Muskelatrophie. Mit dem Aufbau Service Petersen (ASP) in Bremen ließ sie in einen Mercedes V-Klasse einen Seiteneinstieg, ein kleines Lenkrad und einen Gas- und Brems­hebel einbauen.

Weshalb haben Sie sich für einen eigenen Wagen entschieden?

Maria K.: Ein sehr wichtiger Grund war Zeit­ersparnis. Zur Arbeit habe ich mit den öffentli­chen Verkehrsmitteln oft zwei, manchmal sogar drei Stunden pro Strecke gebraucht. Schlechte Verbindungen, kaputte Bahnlifter, blockierte Stellplätze und andere Hindernisse machten mir den Weg lang und umständlich. Alles Zeit, die für das Privatleben fehlte. Dadurch habe ich zu viel gesessen und zu viel im Freien gewartet. Das war für meine Gesundheit nicht gut.

Was war Ihnen bei der Auswahl wichtig?

Angenehmes Fahren! Ich wollte mit dem Roll­stuhl ins Auto hinter das Steuer rollen können ohne umzusitzen. Und ich wollte meinen Freun­deskreis auch mal fahren und selbst vorschlagen können, eine Tour zusammen zu machen. Also musste es ein Transporter werden. Wegen der verminderten Muskelkraft in meinen Armen war für mich ein Handling am Lenkrad nicht möglich. Deshalb brauche ich intelligentes Licht, automatische Scheinwerfer, Regensensor und ähnliches. Eine 360° Kamera war mir wichtig, um zu sehen, wo ich am besten parke, um mit dem Rollstuhl ideal ein- und aussteigen zu können. Es musste also ein moderner, neuerer Wagen werden, der entsprechend angepasst ist und von dem ich möglichst lange etwas habe.

Das klingt nach umfangreichem Vorwissen …

Ich war immer schon technisch interessiert und habe mir Notizen gemacht, wann immer ich irgendwo mitgefahren bin und etwas gut fand. Mein Bruder hat sich auch mit mir Gedanken gemacht, der ist technisch sehr fit.

Welche Meilensteine lagen auf Ihrem Weg?

Zunächst der Führerschein. Andere kaufen erst ein Auto und machen die Fahrstunden direkt damit. Ich wollte aber erst mehr Technik kennenlernen. Da hatte ich großes Glück: Extra für mich wurde ein Fahrschulwagen angepasst. ASP hat den Umbau bezahlt. Hinterher hat ein anderer Fahrschüler, zu dem der Wagen super passte, den Wagen gekauft.

Und dann?

Als nächstes musste ich einen elektrischen Roll­stuhl bestellen, extra passend für den Wagen. Er ist höhenverstellbar, so dass er für das Auto ein­gestellt werden kann. Man darf nicht mit jedem beliebigen Rolli einfach in jedem umgebauten Wagen fahren, das war mir vorher nicht klar.

Wie lange dauerte der Prozess bis zum Traum­auto?

Lange. Ich musste ja erst den Führerschein machen. Danach kam die TÜV-Eignungsprü­fung, die kontrolliert, ob ich mit den techni­schen Anpassungen umgehen kann. Schließlich die Beratung durch ASP und der Kauf meines Wagens, der acht Monate später ausgeliefert wurde. Ausgerechnet bei meinem Modell gab es dann noch Veränderungen zu den Vorproduk­tionen, die teilweise umfangreich wieder ange­passt werden mussten. Letztendlich waren es gut vier Jahre von dem Wunsch »Ich möchte einen Führerschein machen und ein Auto besitzen« bis zur Auslieferung des perfekten Wagens. Aber das war es wert!

Wie sind Sie letztlich auf »Ihr« Traumauto gekommen?

Auf Anraten meines Bruders. Der kannte den Wagentyp und sagte mir, dass dieser Transpor­ter mittlerweile wie ein PKW zu fahren sei. Den Wagen habe ich bei ASP erwähnt und die kann­ten den Typ auch. Die 360°-Kamera war schon mit bestellbar, auch das Öffnen von Tür und Kofferraum per Knopfdruck sowie Schlüssel­funk, Standheizung, intelligentes Licht, Totwin­kelassistent, Spurhalteassistent … Das war sehr praktisch und hat teure Umbauten eingespart.

Wie haben Sie sich informiert, was Ihnen wichtig sein könnte?

Bei meiner Familie und bei Freunden. Online habe ich nach Extras wie Fahrassistenten und ähnlichem gegoogelt. ADAC und andere Auto­seiten waren auch hilfreich. Mit der Liste habe ich dann bei meinem Bruder und bei Freunden gefragt: Was ist das genau, kann mir das helfen, macht das Sinn?

Wer hat Sie gut beraten, welcher Wagen und welche Umbauten für Sie in Frage kommen?

Mein Fahrlehrer und ASP kennen sich super mit den verschiedenen speziellen Adaptionen aus und konnten hilfreiche Tipps geben.

Hatten Sie die Möglichkeit, manches auszu­probieren?

Probefahren konnte ich leider nicht, ich brauch­te spezielle Umbauten und hatte auch noch nicht meinen speziellen elektrischen Rollstuhl, der zum Wagen passte. Aber ich konnte in einige umgebaute Wagen bei ASP hineinschnuppern, hinters Lenkrad fahren, mich hineinfühlen.

Für welche Umbauten haben Sie sich letztlich entschieden? Was werden Sie bestimmt nicht mehr missen wollen?

Für mich am wichtigsten als Laie sind der Kas­settenlift zum Einstieg, das Mini-Lenkrad und der Gas- und Bremshebel.

Welche Finanzierungswege haben Sie durch­dacht?

Die Frage war: Eigenfinanzierung oder Zuschüs­se? Damals wusste ich nicht, dass die Deutsche Rentenversicherung für mich nicht zuständig ist. Einen Kredit aufnehmen wollte ich nicht, lieber ansparen oder es ganz lassen. Der Umbau kostet für mich in etwa so viel wie der Neuwa­gen selbst, dazu kommt der passende Rollstuhl. Das ist natürlich bei jedem unterschiedlich, bei mir aber einfach insgesamt furchtbar teuer. Als ich die Summe das erste Mal realisierte, hätte ich fast aufgegeben. Meine Eltern haben mir Mut gemacht, mit dem Führerschein einfach zu beginnen und es mit den Anträgen bei der Agentur für Arbeit zu versuchen.

Wie liefen die Anträge? Haben Sie nützliche Tipps für andere?

Der Knackpunkt sind die fachärztlichen Gut­achten, zum Beispiel für Neurologie, Psycho­logie, Orthopädie, Allgemeinmedizin. Das braucht Zeit und damit sollte man so früh wie möglich beginnen. Die Gutachten ergänzen die Angaben zur Notwendigkeit, wie etwa dem Arbeitsweg. Außerdem hilft es, sich vorher nach den Bedingungen für die Zuschüsse zu erkundi­gen. Vom Amt aus musste es bei mir ein Neu­wagen mit Vollkasko-Versicherung werden.

Was ist das Beste daran, nun einen eigenen Wagen zu haben? Wie hat sich Ihr Leben da­durch verändert?

Ich bin nicht mehr abhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxen oder Freunden. Es ist eine enorme Steigerung der Lebensqualität. Ich habe so unglaublich viel mehr Zeit. Mein sozia­les Leben ist reicher geworden, ich kann mehr ausgehen, mehr verreisen, selbst Reisen vor­schlagen und Freunde mitnehmen. Großartig!

Was möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben, die vielleicht noch zögern?

Es kann sein, dass es kein leichter Weg wird und zwischendurch der Gedanke kommt aufzu­geben. Aber es lohnt sich, diesen Weg auf sich zu nehmen. Autofahren macht unglaublich viel Spaß. Diese einzigartige Freiheit kennt man nicht, wenn man nicht selbst fährt.   

Kommentare

Rolf Henninges

28. Mai 2021 um 22:04 Uhr

Ich bin der Bruder vom hier erwähnten wirklich kompetenten Fahrlehrer! Ich bin seid der Geburt schwerbehindert und fahre selber solch ein Auto. - Ein hoher Grad an selbstständiger Mobilität für uns Menschen mit Einschränkunge, ist eine soppelt und dreifache Steigerung unserer Lebensqualität und unser "Inklusion". - Deshalb kann ich Catharinas Aussage hier bestätigen! - Allen die den Mut zum selber fahren haben, es unbedingt zu erkämpfen. Viel Erfolg! Und allen "allzeit gute Fahrt!"

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