Roll-Splitt
von Burkhard Bujotzek
»Die Kurzweiligen«
Wem oder was schenken Sie das Kostbarste, das Ihnen zu Gebote steht: ein Stück ihrer Lebenszeit? Nun, viele scheinen sich diese Frage nicht oft zu stellen. Denn wie sonst wäre das weit verbreitete Interesse zu erklären, das Langweiler und ihre bedeutungsfreien und nicht selten unwahren Aussagen in weiten Teilen der Medien, insbesondere im Internet, erfahren?
Genau diese verzweifelte Einsicht stellte kurz vor dem Jahreswechsel Alexandra Petri, Kolumnistin der Washington Post, in ihrem dortigen Beitrag vor. Und wer sind die ausgemachten Langweiler? An Geld, Macht und Narzissmus Überreiche, die meinen, die Welt mit ihrem Kopfsalat und sprunghaften Ein- und Ausfällen permanent beglücken zu müssen. Und viele Medien und ihr Publikum spielen das Spiel der kleinen Großen namens Trump, Musk und Konsorten aus anspruchsfreier Unterhaltungslust mit. Vergeudete Zeit, meinen auch wir.
Dabei gibt es so viele wirklich bedeutsame Menschen, die kennenzulernen ein Gewinn ist. Da ist etwa die junge Mutter, die erfahren muss, dass ihr dreijähriger Sohn an einer der zwölf Varianten der Kinderdemenz erkrankt ist. Gemeinsam mit einer Ärztin stemmt sie sich gegen das Unvermeidbare. Die Pharmaindustrie hilft natürlich nicht mit Forschungsmitteln, denn der erwartbare Profit wäre bei der seltenen Erkrankung zu gering. Dennoch schaffen die beiden Frauen dank Spenden ein kleines Wunder.
Da ist der 28-jährige Mann mit MS-Diagnose, der seinen an Demenz leidenden Großvater aus dem fernen Pflegeheim zu sich holt, um dem alten Mann einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen. Da riskiert ein Unternehmer sein Leben und holt Menschen mit Körperbehinderung mit seinen Spezialfahrzeugen aus Krisengebieten in der Ukraine. Und da gibt es die vielen Heldinnen und Helden in unserer Nähe, die für andere einfach da sind, einfach nur aus Menschlichkeit. Kurzweilige halt, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Sagen wir es mit Angelus Silesius: »Mensch, werde wesentlich.«
