Roll-Splitt
von Burkhard Bujotzek
»Licht«
Ein Betrunkener sucht mitten in der Nacht auf allen Vieren im Bereich einer Straßenlaterne nach seinem Hausschlüssel. Auf die Frage eines Polizisten, wo er ihn denn verloren habe, zeigt der Mann weit von sich. »Warum suchen Sie ihn denn dann nicht dort drüben?« fragt der Gesetzeshüter und staunt nicht schlecht über die Antwort: »Da ist es doch dunkel!«
Mit dieser Anekdote weist der österreichische Psychologe Paul Watzlawick auf ein weit verbreitetes Verhalten hin. Das Dunkle ist unangenehm, macht uns Angst und wird nur allzu gerne gemieden. Dabei findet sich gerade dort oft der Schlüssel für eine bessere Zukunft. So ist der Aufstieg Deutschlands nach dem II. Welt- krieg ohne die konsequente Aufarbeitung der Verbrechen vor 1945 nicht denkbar. Und was für Staaten gilt, gilt auch für jeden von uns. Nur wer seine eigenen dunklen Anteile annimmt, dort genau hinsieht, kann reifen.
Ob wir nun die Weihnachtsgeschichte als his- torisches Ereignis oder als frei erfundene Poesie verstehen, sie ist in einem übergeordneten Sinne wahr: Zu einer Zeit, mitten in dunkler Nacht, in der wir es nie erwartet, an einem Ort, an dem wir nie gesucht hätten, finden wir den Schlüssel, finden wir neues Leben. So gilt der Ruf: »Fürch- tet Euch nicht!« doch wohl uns.
Vielen scheint die heutige Zeit zum Fürchten. Weihnachten aber könnte uns helfen, wenn wir es dort suchen, wo das Licht uns im Dunkeln menschlich wärmend einlädt. Der uns wegen der Energiekrise auferlegte Verzicht auf allzu grelle Leuchtreklamen wäre so verstanden gar eine Hilfe.
Eine frohe Advent- und Weihnachtszeit voll neuer Zuversicht wünscht Ihnen und Ihren Familien
Burkhard Bujotzek